Thailand-Comeback: Herzliche Ausladung?

Neustart des Thai-Tourismus im November 2021 mit Fragezeichen

Comeback des Thai-Tourismus mit Fragezeichen: Thailand will am 1. November seine Grenzen wieder für Tourismus-Reisende öffnen. Ein „Zurück“ zu den Zeiten vor der Pandemie soll es jedoch laut der „TAT“, Thailands Tourismusbehörde, nicht geben. Und auch für Reisende bleiben Unsicherheiten mit im Gepäck.

Abgebaute Beach-Restaurants, ausgestorbene Bar-Straßen, unaufgeräumte Hotel-Lobbys, geschlossene Massage-Läden: Wer sich für einen schnellen Trip nach Thailand unmittelbar nach Öffnung der Grenzen für Flugreisende ab dem kommenden 1. November entscheidet, sollte sich nicht wundern, wenn er ein Land vorfindet, das in Teilen nur wenig mit dem zu tun hat, welches er noch von seinem letzten Trip vor der Corona-Bremse in Erinnerung hat.

Die Vorstellung, dass sich die touristische Infrastruktur nach mehr als einem Jahr faktischem Reise-Lockdown innerhalb von Tagen für die wenigen tausend Erstbesucher wie von selbst und in Rekordzeit revitalisiert, dürfte eine krasse Fehleinschätzung sein. Und anders als etwa nach der Tsunami-Katastrophe ist nicht nur ein Teil des Landes betroffen, sondern der ganze Elefantenkopf von Chiang Mai bis Phuket – Bangkok inklusive!

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Natürlich werden die großen, internationalen Hotelresorts schnell wieder auf Normalbetrieb umschalten, zumal die wenigsten längere Zeit komplett geschlossen waren und immerhin als Quarantäne-Unterkünfte dienten.

Apropos Quarantäne: Es ist offenbar mitnichten so, dass diese gänzlich abgeschafft ist: Trotz Impfung muss getestet werden: vor dem Abflug und nach der Ankunft in Thailand. Erst am Tag nach dem zweiten negativen Befund steht den Besucherinnen und Besuchern das Land der Freiheit (wie „Thai“-Land übersetzt heißt) wirklich frei.

Wer sich dann in beliebte und bekannte Urlaubsdestinationen aufmacht oder gar neue Landesteile erkunden will, wird von Überraschungen nicht gefeit sein. Denn natürlich gelten weiterhin besondere Regelungen: Nicht alle thailändische Provinzen sind ohne weiteres bzw. ohne längere Quarantäne bei Einreise in die jeweils betroffene Provinz besuchbar. Und vielerorts existieren weiter limitierte Öffnungs- und Ausschankzeiten, gesperrte Zonen, Abstands- und Maskenpflicht, Hygieneregeln sowie Zutritt nur nach Messung der Körpertemperatur.

Und das aus gutem Grund: Denn noch kann Thailand von einer Impfquote wie sie etwa inzwischen in Deutschland erreicht ist, nur träumen. Und: nicht jeder Impfstoff scheint die gleiche Schutzwirkung zu entfalten wie die in Deutschland verwendeten Marken. Man ist daher gut geraten, neben dem Impfzertifikat auch eine gute Portion Vorsicht mit im Handgepäck zu haben.

Und diese Vorsicht sollte es sich auch darauf beziehen, wie sicher ein langfristig geplanter und gebuchter Fernreise-Trip nach Thailand derzeit wirklich stattfinden kann. Denn der thailändische Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul hat bereits zügig nach der Verkündung der neuen Einreise-Regelungen zum 1. November davor gewarnt, dass diese selbstverständlich bei einer negativen Veränderung der Infektionslage schnell wieder rückgängig gemacht werden könnten. Die Unsicherheit reist deshalb ebenfalls mit, vor allem für diejenigen, die keinen Daueraufenthalt, sondern einen Urlaub planen und die nicht über eine feste Bleibe verfügen – im Eigentum, bei Freunden oder Familie.

Aber unabhängig davon und von vorgegebenen Regelungen zu Selbst- und Fremdschutz: Jenseits der All-inclusiv-Hotellandschaften, also dort wo man wirklich Urlaub „im“ Land macht und nicht nur in einer beliebig austauschbaren Fotokulisse, sollten sich Thailand-Fans auf Enttäuschungen gefasst machen.  Die Suche nach dem einstigen Lieblingsrestaurant, der Bar und der Beach-Massage könnte erfolglos verlaufen, weil es sie nicht mehr gibt, nicht mehr geben wird oder nicht mehr geben soll.

Der Chef von Thailands Tourismus-Zentrale Yuthasak Supasorn hat dieser Tage dahingehend schon einmal vorgebaut. Er hat in einem Statement bei „ASEAN Now“ klar artikuliert, dass Thailand zukünftig auf ein hochpreisiges und Familien-orientiertes Angebot für den internationalen Tourismus setzt.  Und dafür hat Thailand – insbesondere in Bangkok – im Schatten der Pandemie einiges investiert: neue öffentliche Infrastruktur – etwa mit neuen, modernen Linien im Schienen-Nah- und Fernverkehr –  ist genauso entstanden, wie neue privat finanzierte Investitionen in Shopping Malls wie den „True Digital Park“, neue Orte wie die Ong Ang Walking Street in China Town oder eine ganze Reihe von Condo-Tower auf hochmodernem, internationalem Top-Niveau an der Rama IX.

Ist das also eine Ausladung für die Backpacker in der alten Khao San Road, in Pai oder auf Kho Phanghan jenseits der Fullmoon Partys? Eine Ausladung für die Erlebnistouristen in Pattaya oder Phukets Bangla? Eine Ausladung für die Langzeitresidenten auf Rentenbasis im Isaan? Eine Ausladung für die Budget-Touristen und Pauschalbuchenden in den Bettenburgen wie dem Ambassador Jomtien?

Vielleicht ist eher der Wunsch Vater des Gedankens der Thai-Verantwortlichen. Denn solange Thailand keine restriktivere Visa-Politik betreibt, werden Marktregeln den Tourismus bestimmen und nicht die Träume der Tycoons. Und das bedeutet: Angebot und Nachfrage, Nachfrage und Angebot bestimmen sich gegenseitig. Natürlich will sich Thailand zu einer Destination für High-End-Tourismus entwickeln. Das ist im Trend der Zeit und strategisch nachvollziehbar. Aber das steht nicht zwangsläufig im Widerspruch dazu, weiterhin für alle anderen Urlaubsgruppen attraktiv und offen zu bleiben.

Als die touristische Erfolgsgeschichte Thailands vor rund 50 Jahren begann, gab es weder Top-Resorts noch Super-Condos, kein McDonalds, keine Malls und keine Foodcourts. Und doch – oder gerade deswegen – entwickelte sich Thailand innerhalb kürzester Zeit zu einer touristischen Top-Destination. Seitdem ist viel passiert. Thailand hat sich weiterentwickelt. Und das ist auch gut so, weil alle davon profitieren. Vor allem aber ist Thailand ein großes, facettenreiches, vielfältiges Land geblieben, in dem alle ihren Platz finden können: die Familien und die Superreichen, die Fried-Rice-Fraktion mit Rucksack, die Erlebnisurlauber, wenn sie wenigstens ein Grundverständnis für ihr Gastland entwickeln, die Langzeit-Residenten in ihren Blauziegel-Häusern neben den Reisfeldern oder in den Beach-Condos.

Pattaya: Leer und zu.

So lange es Garküchen für Thais gibt, so lange die Thais noch günstige Hütten am Strand für ihren Familienausflug mieten können, so lange im Seven Eleven alle noch eine Flasche Wasser für 8 und eine Dose Bier für 40 Baht kaufen können, so lange die Überlandbusse für alle günstig und die (neue) Bahn für alle erschwinglich bleibt, so lange also die Thais selbst das Leben in ihrem Land noch bezahlen können, so lange werden auch die Touristinnen und Touristen kommen, die die TAT derzeit weniger im Fokus hat. Und von den verhältnismäßig günstigen Preisen der authentischen Thai-Infrastruktur profitieren. Und deshalb werden alle – Einheimische wie Reisende unterschiedlichster Preisklassen – ihre Nische, ihr Lieblingsplätzchen, „ihr“ Thailand finden können.

Das ist die Hoffnung als Schwester unserer Sehnsucht, wenn wir in diesem Tagen an den nächsten Trip nach Thailand denken und darauf setzen, dass der vielleicht nicht schon in unsicherer Lage am 1. November starten muss, aber uns vielleicht doch bald danach in Thailands „new normal“ führen wird.

Denn Thailand ist viel zu schön und vor allem ausreichend groß, um nicht offen für alle sein zu können, egal welcher Nation, Ethnie, Religion, Einkommensklasse oder Altersgrupppe seine Besucherinnen und Besucher angehören. Das „Land der Freien“ könnte nach innen tatsächlich mehr Freiheit gebrauchen und sollte nach außen für seine Freundinnen und Freunde in aller Welt frei zugänglich bleiben. Sonst würde das „new normal“ schnell zu einem „nightmare“ einer angeblich schönen neuen Welt im Huxleyschen Sinne werden – vor allem für die Thais selbst.

Nachtrag zur Info zum aktuellen Stand Einreise nach Thailand (25.10. 2021):

Hinweis:

Der Bereich “Exemptions” soll (Stand 25.10. 2021) Reisenden aus 46 Ländern offen stehen, darunter Deutschland, Österreich, die Schweiz und Frankreich. Auch Luxemburg soll noch folgen. Das kleine Land im Herzen Westeuropas sei bei der ersten Aufstellung der Liste schlicht vergessen worden, so thailändische Behördenvertreter auf Nachfrage.

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6 Gedanken zu “Thailand-Comeback: Herzliche Ausladung?

    1. Bei aller berechtigten Kritik, die auch wir an bestimmten Vorgehensweisen haben und formulieren: Eine solch pauschale Aussage halten wir für falsch.

  1. Wieder mal ein hervorragend geschriebener Kommentar! Dein Niveau hebt sich so wohltuend von all vielen Blabla ab, den man auf den Social Medias über Thailand lesen kann. Herzlichen Dank dafür!

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